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Wie ARD und ZDF am besten zusammenwirken

Mein Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) vom 29.03.2023:

Die Coronapandemie, der Krieg in der Ukraine mit all seinen Konsequenzen, eine steigende Inflation, dazu die Energie- und Rohstoffkrise: Es scheint, als würde Deutschland nach drei Jahren Pandemie von einer Krise in die nächste stolpern.

Gesellschaftlich bisher deutlich weniger beachtet, sind dabei die disruptiven Veränderungen unserer Medienlandschaft. Wenige große Plattformen aus den USA und China wie YouTube, Facebook, Instagram, Twitter oder TikTok dominieren große Teile der weltweiten Mediennutzung. Europäische und deutsche Anbieter fallen im Vergleich deutlich ab. Neben wirtschaftlichen Konsequenzen birgt diese Entwicklung eine weitere Gefahr: Hinter den US-Plattformen stehen wenige Multimilliardäre wie Zuckerberg, Bezos oder Musk – und in China die kommunistische Partei. Eine große Medienmacht ist damit in wenigen Händen gebündelt.

Gleichzeitig lässt sich beobachten, dass die deutschen Medienanbieter immer weiter unter Druck geraten. Das Aus des Traditionshauses Gruner + Jahr oder der Einstieg des italienischen Medienunternehmens MFE – MediaForEurope mit Silvio Berlusconi bei ProSieben-Sat1 sind dafür nur stellvertretend zu nennen. Die Folge ist eine Konsolidierungswelle der nationalen Anbieter auf den europäischen Märkten mit entsprechenden Folgen wie Budgetkürzungen oder Stellenabbau.

Die Pandemie und der Krieg in der Ukraine haben das Thema FakeNews und Propaganda in der medienpolitischen Debatte in Deutschland und Europa nach vorne gebracht. An dieser Stelle ist auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk gefragt, der ähnlich wie in der Coronapandemie seinem Auftrag nach validen Informationen, Nachrichten und Bildung nachkommen muss. Diesem Auftrag wird er auch durchaus gerecht, was sich anhand von qualitativen Messungen im Bereich der Glaubwürdigkeit sowie an quantitativen Daten wie stabil hohen Einschaltquoten nachvollziehen lässt. Dennoch hat sich der ÖRR zunehmend zum Feindbild der Systemkritiker entwickelt.

Dem gegenüber steht, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk selbst nicht frei von Fehlern ist. Die Schlesinger-Affäre im rbb hat seine Schwächen offengelegt. Zu wenig Kontrolle, Verschwendungssucht Einzelner und Intransparenz – das ist Wasser auf die Mühlen eben jener Kritiker, die im Anschluss oft noch Strukturkritik mit Inhaltskritik vermischen und die Existenz des ÖRR in Gänze in Frage stellen.

Krisen sind zahlreich, Antworten bisher rar. Die komplizierte Zuständigkeit in der Medienpolitik verhindert ein agiles Handeln. Während die Bundesländer primär für die Medienpolitik zuständig sind, liegt die Regulierung der großen Plattformen auf nationaler oder europäischer Ebene. Der Bund hat auf diesem Politikfeld nur wenige Zuständigkeiten, beispielsweise in der Wettbewerbs- und Wirtschaftspolitik, die gerade in Krisenzeiten einen gesteigerten Einfluss auf den Medienmarkt ausüben.

Dabei übt sich die Bundesregierung meist in der Beobachterrolle, wird sich – wie so oft – nicht einig und fremdelt mit der Medienpolitik. Gutachten zum Thema Presseförderung werden im Bundeskanzleramt und im Bundeswirtschaftsministerium seit Monaten zurückgehalten. In der Debatte um die mangelnde Staatsferne der Aufsichtsbehörde im „European Media Freedom Act“ stellt sich die Regierung gegen die Subsidiaritätsrüge aller Bundesländer. Erst vor wenigen Tagen hat die Deutsche Welle ein Notsignal ausgesendet, da dringend benötigte Stellen im vergangenen Haushalt nicht berücksichtigt wurden und daher nun auch der deutsche Auslandssender in Zeiten internationaler Krisen einsparen muss.

Anlässlich der Causa Schlesinger hat sich die CDU bereits im September 2022 auf ihrem Bundesparteitag umfangreich zur Zukunft des ÖRR positioniert. Im Bundesparteitagsbeschluss wurde vor allem auf das Thema der Fehlerminimierung der Aufsichts- und Kontrollgremien abgezielt sowie eine Kommission zur Zukunft des ÖRR ins Leben gerufen, die nun erste Ergebnisse liefert. Auch die Rundfunkkommission der Länder hat die evident zum Vorschein getretene Schwäche im Bereich Aufsicht und Kontrolle erkannt und zügig den 4. Medienänderungsstaatsvertrag auf den Weg gebracht.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss vor dem Hintergrund der Digitalisierung und der veränderten Mediennutzung der Menschen zukunftsfest gestaltet werden. Die im 3. Medienänderungsstaatsvertrag vorgesehene Flexibilisierung von Teilen des Auftrags ist deshalb zu begrüßen. Auch die Aufträge der Rundfunkkommission an den kürzlich eingesetzten Zukunftsrat gehen in die richtige Richtung. Das reicht allerdings nicht aus. Es müssen bereits jetzt Schritte zur Modernisierung eingeleitet werden – auch durch die Anstalten selbst.

Der von der ARD eingeschlagene Weg ist richtig und muss konsequent fortgesetzt werden. Das nationale Angebot müsste verringert werden, um die freiwerdenden Ressourcen gezielt zu Gunsten der regionalen Angebote der verschiedenen Landesrundfunkanstalten umzuschichten. Die geplante Einstellung eines bundesweit ausgerichteten Spartensenders der ARD ist daher konsequent. Ebenso richtig sind die angedachten Mantelprogramme für die Radio- und TV-Programme der verschiedenen Landesrundfunkanstalten. In der jeweiligen Prime-Time von Radio und TV sollten die Programme jeweils regional auseinander geschaltet werden, um möglichst viele Menschen mit hochwertigen Informationen aus ihrer jeweiligen Region zu erreichen. In den Randzeiten sollte man auf einheitliche Mantelangebote setzen.

Das ZDF sollte sich im Gegensatz dazu auf seine nationale Berichterstattung konzentrieren und hier seine Stärken betonen. Es ist aufgrund des staatsvertraglichen Auftrags, der Ausrichtung und der Struktur national ausgerichtet. Effizienz kann dann erreicht werden, wenn das ZDF dieser Funktion gerecht wird. Der Deutschlandfunk, der den nationalen Auftrag beim Radio hat, sollte aus Effizienzgründen und zum Zwecke der klaren Zuordnung von Verantwortlichkeiten in der zunehmend zusammenwachsenden digitalen Medienwelt in die Verantwortung des ZDF überführt werden. Um eine klare Aufgabenteilung mit einem zentral aufgestellten nationalen öffentlich-rechtlichen Anbieter und mehreren föderal und stark aufgestellten regionalen Anbietern zu erreichen, wäre es zudem naheliegend und effizient, die Partnerprogramme 3sat und ARTE, die auf dem gesamten deutschsprachigen sowie sogar dem europäischen Raum ausgerichtet sind, künftig in die alleinige Zuständigkeit des nationalen öffentlich-rechtlichen Anbieters zu übergeben.

Das Ziel liegt klar auf der Hand, eine Umstrukturierung mit übergeordneter Zweiteilung in regional und national brächte eine klare Zuordnung von Aufgaben und Zuständigkeiten. Durch das Auflösen von Doppelstrukturen könnten Synergien gehoben und Ressourcen geschaffen werden. Auch für eine effiziente Gremienkontrolle sind eindeutige Zuständigkeiten ein offensichtlicher Vorteil.

Fest steht, dass das lineare Fernsehen und Radio uns noch eine gute Weile neben den nichtlinearen Angeboten begleiten werden. Daher ist es klug, sich insgesamt Gedanken über Aufbau, Aufgaben und Zuständigkeiten zu machen. Hinzukommt die Herausforderung, den Spagat von Finanzen und Beiträgen einerseits sowie von Auftrag und Digitalisierung andererseits zu erreichen. Wenn man sich einig ist, dass die Ressourcen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk real nicht wachsen sollen, dann bedeutet dies im Umkehrschluss, dass die vorhandenen Ressourcen effizienter eingesetzt werden müssen.

Im Bereich der Onlineberichterstattung – also im nichtlinearen Bereich – stellen sich die Öffentlich-Rechtlichen bewusst der Konkurrenz der außereuropäischen Plattformen. Vor diesem Hintergrund ist die verstärkte Kooperation zwischen ARD und ZDF beim Streaming-Netzwerk zu begrüßen, dieser Schritt war im Grunde überfällig. Auch hier gilt es, im Bereich der Infrastruktur zügig weiterzuarbeiten, um nicht vollkommen von ausländischen Anbietern abhängig zu sein und eine deutsche und mittelfristig idealerweise europäische Antwort auf die beschriebenen Herausforderungen durch die großen Plattformen in den USA und China zu finden.

Es ist richtig, wenn sämtliche Inhalte des jeweils anderen künftig in den Mediatheken von ARD und ZDF zu finden sind. Gleiches gilt für die Kooperation im Bereich des Empfehlungsalgorithmus und des technischen Ausbaus. Dennoch sollten auch hier wieder die Stärken gestärkt werden. Die zuvor beschriebene Aufteilung in national und regional muss sich auch in den Mediatheken wiederfinden. Im Mittelpunkt der ARD-Mediathek sollten vor allem die Inhalte der Landesrundfunkanstalten stehen. Wer zum Beispiel von Sachsen aus die ARD-Mediathek aufruft, sollte auf der Startseite prominent die Inhalte des MDR über Sachsen finden. Das bedeutet, der Empfehlungsalgorithmus ist so zu programmieren, dass regionale Inhalte aktiv angeboten werden. Das wäre ein eindeutiger Mehrwert eines öffentlich-rechtlichen Algorithmus, der unbedingt aus Deutschland kommen sollte. In Abgrenzung zur gemeinsamen Mediathek der Landesrundfunkanstalten sollte die Mediathek des ZDF klar den nationalen Auftrag zur Richtschnur haben.

Um im internationalen Wettbewerb gegen die außereuropäische Konkurrenz zu bestehen, bietet sich beim Streaming-Netzwerk von ARD und ZDF eine Zusammenarbeit mit dem österreichischen ORF und dem Schweizer SRG an. Damit könnten Kräfte gebündelt und der gesamte deutschsprachige Bereich innerhalb Europas ausgeschöpft und gleichzeitig der Nukleus für eine europäische Infrastruktur geschaffen werden, die unserer Demokratie, unserer Verfassung und unseren Werten dient. Eine so weiterentwickelte deutschsprachige Informations- und Medienplattform müsste den Wettbewerb mit außereuropäischen Anbietern nicht scheuen. Sie könnte ein wichtiger Teil der deutschen und europäischen Antwort auf die Herausforderungen durch die amerikanischen und chinesischen Plattformen sein.

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